Unter den rund 130 Teilnehmenden der beliebten, von Firma B. Braun ausgerichteten zweitägigen Veranstaltung waren dieses Mal auch etliche aus dem Krankenhausbereich, wie Alexander Schmid, Vertriebsbereichsleiter des Unternehmens, bei der Eröffnung erwähnte. Das neu erwachte Interesse an der Veranstaltung, die vom 25. bis 26. November 2022 im traditionellen Langenbeck-Virchow-Haus in Berlin stattfand, dürfte nicht nur am Druck auf die stationären Versorger liegen. Diese ächzen zwar unter der hohen Zahl minderschwerer Fälle, die eigentlich besser ambulant versorgt werden sollten. Eine mindestens ebenso große Rolle spielt aber die Tatsache, dass die seit Ende 2021 amtierende Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag die seit über 15 Jahren gewünschte integrierte bzw. sektorenverbindende Patientenversorgung wieder aufgegriffen hat. Und diese birgt Chancen für den stationären ebenso wie den ambulanten Sektor.
Die entscheidenden Vehikel hierfür sind gleich zwei „Ominbus-Gesetze“. Zum einen das noch von der Vorgängerregierung beschlossene MDK-Reformgesetz, mit dem nicht nur der Medizinische Dienst der Krankenkassen neu strukturiert, sondern auch eine substanzielle Erweiterung des AOP-Katalogs beschlossen wurde. Und zum anderen das Krankenhaus-Pflege-Entlastungsgesetz (KHPflEG), an dem im Gesundheitsausschuss noch weiter gefeilt wurde und das am 2. Dezember 2022 letztlich den Bundestag passierte. Als in Berlin die Fürsprecher des ambulanten Operierens diskutierten, hatte der Gesetzentwurf noch vorgesehen, dass die spezielle sektorengleiche Vergütung, für das SGB V um § 115e und § 115f ergänzt werden soll, per Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums festgelegt werden soll. Dieses Vorgehen hätte die Selbstverwaltung übergangen, die eigentlich mit der Aushandlung der Vergütungshöhe und weiteren Details betraut gewesen wäre.
Die Reaktionen auf dieses Instrument der Rechtsverordnung fielen unterschiedlch aus. So kritisierte Dr. Torsten Fürstenberg, Abteilungsleiter Ambulante Versorgung beim GKV-Spitzenverband, den ministeriellen Vorstoß: „Wir würden uns wünschen, dass auch die Hybrid-DRG in ihrer Ausgestaltung nicht im BMG, sondern bei der Selbstverwaltung bleiben.“ Auch nach Auffassung des KBV-Vertreters Dr. Casser darf diese Instanz nicht einfach per Verordnung übergangen werden: „In der gemeinsamen Selbstverwaltung geht es ja genau um den Interessenausgleich der Partner. Eine solche Institution ist im internationalen Vergleich einmalig.“
Verständnis für die neue Durchgriffsmöglichkeit der Politik äußerte dagegen BAO-Präsident Dr. Deindl: „Die dreiseitige Selbstverwaltung arbeitet seit jeher nicht gut zusammen. Es ist besser, dass sich nun etwas bewegt als dass die bestehenden Strukturen weiter konserviert werden“, gab der Kinderchirurg zu bedenken. Ähnlich äußerte sich der BKG-Geschäftsführer Engehausen – und auch der Leiter des Referats für ambulante und vertragsärztliche Anästhesie im Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA), Jörg Karst, gab sich versöhnlich: „Ja, die Politik – und hier insbesondere die SPD – kratzt an unserer Selbstverwaltung. Der Vorwurf der Staatsmedizin ist nicht von der Hand zu weisen. Aber ehrlicherweise muss man auch sagen, dass es dieses Mal richtig war, weil nun alle Beteiligten gezwungen sind, aus ihren Schützengräben herauszukommen.“
Der SPD-Politiker Dr. Andreas Philippi, der als niedergelassener Chirurg und Bundestagsabgeordneter mittlerweile ein gefragter Gesprächspartner bei Diskussionsrunden rund um das ambulante Operieren ist, verteidigte das Vorpreschen der Politik ebenfalls: „Die Politik braucht das Input der Spitzenverbände, um die Rahmenbedingungen vorzugeben. Aber irgendwann muss man die Dinge auch einmal voranbringen.“ Die Selbstverwaltung trete in vielen Punkten seit Jahren auf der Stelle, sagte er mit Blick auf die Problemfelder Digitalisierung und Datenschutz. „Wenn die Politik die Sache nun in die Hand nimmt, dann wird es vermutlich erst einmal furchtbar. Aber man kann dann immer noch nachbessern. Wir alle sollten uns trauen, mehr auszuprobieren – auch auf die Gefahr hin, dass sich dadurch Dinge erst einmal verschlechtern“, meinte Dr. Philippi und wurde für diese Forderung tatsächlich mit einigem Applaus bedacht.
Der überarbeitete Gesetzentwurf, der letztlich am 2. Dezember 2022 den Bundestag passierte, gewährt der Selbstverwaltung allerdings noch eine kleine Schonfrist: Sie hat nun bis Ende März 2023 Zeit, sich auf die Ausgestaltung der ESV zu einigen. Erst im Falle eines Scheiterns dieser Verhandlungen wird das Ministerium die Vergütungsdetails festlegen. Und obwohl dieser Aufschub zum Zeitpunkt des Forums Ambulantes Operieren noch nicht beschlossen war und es darüber hinaus noch etliche weitere für die Zukunft des ambulanten Operierens relevanten ungeklärten Punkte gab, war die Stimmung im Saal dieses Mal von deutlich mehr Zuversicht als in den Vorjahren geprägt.
Einen ausführlichen Bericht über das Forum Ambulantes Operieren 2022 finden Sie in der nächsten Ausgabe der BNC-Verbandszeitschrift Chirurgen Magazin + BAO Depesche, die Ende Januar 2023 erscheint.